Andrea Riccardi ist Lehrstuhlinhaber für Zeitgeschichte an der Universität Roma III.
Er ist als Kenner des zeitgenössischen humanistischen Denkens ein auf internationaler Ebene anerkannter Gesprächspartner. So wurde ihm von zahlreichen Universitäten die Ehrendoktorwürde für seine historischen und kulturellen Verdienste verliehen: Katholische Universität Löwen (Belgien), Card. Herrera Universität – CEU Valencia (Spanien), Georgetown University Washington (USA), Universität Augsburg (Deutschland), Jean Moulin Universität Lyon 3 („en raison de services éminents à la paix et à l’Université“).
Außerdem hat Riccardi internationalen Ruf erlangt als Gründer der Gemeinschaft Sant’Egidio im Jahr 1968. Neben sozialem Engagement und zahlreichen Entwicklungshilfeprojekten im Süden der Welt ist Sant’Egidio für seine Friedensarbeit und den Einsatz für den Dialog bekannt. Eine besondere Rolle spielte Riccardi als Vermittler bei verschiedenen Konflikten. Dadurch hat er einen Beitrag zu Friedensschlüssen z. B. in Mosambik, Guatemala oder der Elfenbeinküste geleistet. Die Zeitschrift „Time“ nahm ihn 2003 in die Liste der 36 „modernen Helden“ Europas auf, die sich durch professionellen Mut und humanitäres Engagement auszeichnen.
Seit 1981 ist er ordentlicher Professor und lehrte an den Universitäten von Bari und an der Sapienza in Rom. Er ist Experte für neuere und neueste Kirchengeschichte, sowie allgemein für das Phänomen der Religion. Zu den neueren Veröffentlichungen zählen: Giovanni Paolo II, la biografia [Johannes Paul II. Die Biographie] (San Paolo 2010, erschienen auch in Französisch, Spanisch, Portugiesisch); Salz der Erde, Licht der Welt. Glaubenszeugnis und Christenverfolgung im 20. Jahrhundert, Freiburg 2002 (in zehn Sprachen übersetzt), Governo carismatico [Charismatische Amtsführung] (Mailand 2003), Die Kunst des Zusammenlebens (Würzburg 2008), Il „Partito Romano“ [Die „römische Partei“] (Brescia 2007). Eines seiner neuesten Bücher L’inverno più lungo. 1943-44: Pio XII, gli ebrei e i nazisti a Roma [Der längste Winter. 1943-44: Pius XII., die Juden und die Nationalsozialisten in Rom] (Rom 2008) beschäftigt sich mit der nationalsozialistischen Besatzung in Rom und untersucht nicht nur die Frage der Juden und ihrer Verfolger, sondern die gesamte komplexe Welt der Stadt in dieser historischen Phase: Kollaborateure, schweigende Zeugen, verängstigte und mutige Menschen, die Kirche.
Andrea Riccardi wurde am 18. November 2004 von der Internationalen Stiftung Preis Balzan mit dem Balzanpreis 2004 für Humanität, Frieden und Brüderlichkeit unter den Völkern ausgezeichnet. „Für den Einsatz zur Förderung des weltweiten friedlichen Zusammenlebens unter verschiedenen ethnischen Gruppen und zum Aufbau von humanitärem, friedlichem und brüderlichem Handeln unter den Völkern unabhängig von der religiösen Überzeugung und insbesondere für die Umsetzung des DREAM-Programms zur Bekämpfung von AIDS und Unterernährung, das in Mosambik durchgeführt wird und ein konkretes Modell für andere bedürftige afrikanische Länder ist“.
Am 21. Mai 2009 wurde er mit dem Karlspreis ausgezeichnet, der Personen und Institutionen zuerkannt wird, die sich in besonderer Weise für den Aufbau eines vereinten Europas und die Verbreitung einer Kultur des Friedens und Dialogs hervorgetan haben. In den vergangenen Jahren wurden vor allem europäische Staatsmänner wie Alcide De Gasperi, Konrad Adenauer, Winston Churchill, Robert Schumann, Carlo Azeglio Ciampi und Angela Merkel ausgezeichnet. Er gehört zu den wenigen Nichtpolitikern, die den Preis erhalten haben. In der Begründung heißt es: „In Würdigung eines herausragenden Beispiels zivilgesellschaftlichen Engagements für ein menschliches und – innerhalb wie außerhalb seiner Grenzen – solidarisches Europa, für die Verständigung von Völkern, Kulturen und Religionen und für eine friedlichere und gerechtere Welt“.
Am 16. November 2011 wurde er Mitglied der Regierung Monti und hat das Amt des Ministers (ohne Geschäftsbereich) für internationale Zusammenarbeit und Integration übernommen.